Fortschritte und Defizite erkennen

Fortschritte und Defizite erkennen

20 Jahre deutsch-polnischer Nachbarschaftsvertrag

Erika Steinbach

Erika Steinbach

Der deutsch-polnische Nachbarschaftsvertrag wurde am 17. Juni 1991 geschlossen, um, wie es in der Präambel heißt, den
Wunsch beider Völker nach Versöhnung zu erfüllen und einen gewichtigen Beitrag für die Erhaltung des Friedens in Europa zu leisten. Bei diesem Prozess kommt der kleinen verbliebenen deutschen Volksgruppe im heutigen Polen und den vertriebenen Ost- und Westpreußen, Danzigern, Pommern, Ostbrandenburgern und Schlesiern sowie den deutschen Vertriebenen aus dem Polen der Zwischenkriegszeit eine wichtige und unverzichtbare Aufgabe zu. Die insgesamt mehr als sechs Millionen Vertriebenen aus dem heute polnischen Bereich sind die ganz natürliche Brücke zwischen Deutschland und Polen.Sie haben in den letzten 20 Jahren, aber auch schon zuvor den Dialog mit den Menschen gesucht, die heute an ihrer Stelle in der Heimat leben. Daraus sind dauerhafte Partnerschaften, ja selbst Freundschaften erwachsen. Das alles überwiegend ohne staatliche Einflüsse und Zuschüsse, sondern aus persönlichem Antrieb und oftmals mit dem Einsatz nicht geringer privater Mittel.

Die landsmannschaftlichen Museen der Heimatvertriebenen in Deutschland arbeiten zudem inzwischen eng mit polnischen Museen zusammen und haben teilweise eigene Dependancen in Polen. Man unterstützt sich gegenseitig bei Ausstellungen. Auf kulturellem Gebiet herrscht ein lebendiger und fruchtbarer Austausch.

Auf kommunaler Ebene fördern immer häufiger polnische Stadtverwaltungen ganz selbstverständlich und ohne Ängste das Miteinander von Mensch zu Mensch und zeigen Mitgefühl. Ihnen allen ist sehr zu danken.

Über diese positive Bilanz hinaus gibt es leider nach wie vor Defizite, die nicht verschwiegen werden sollen und dürfen. In nahezu allen Ländern, aus denen Deutsche nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges vertrieben wurden, ist es den jeweiligen Regierungen inzwischen ein Anliegen, gute Kontakte zu den Vertriebenen zu pflegen und das Unrecht, das ihnen zugefügt wurde, zu bedauern. Und das auf Regierungsebene.

Von einer solchen Haltung und solchen tröstlichen Gesten ist das offizielle Polen leider weit entfernt. Es ist längst überfällig, dass auch aus Warschau den Vertriebenen Mitgefühl entgegengebracht wird und die Hände zur Versöhnung ausgestreckt werden. Es liegt im gemeinsamen Interesse und es sollte gemeinsames Anliegen sein, den Weg zueinander auch auf dieser Ebene zu finden.

Erika Steinbach MdB (2011)